In der Woche vom 21. bis 26. April 2025 richteten sich die Blicke der meisten Menschen in Europa nach Rom, wo Papst Franziskus gestorben war, oder nach Gaza und in Ukraine, wo weiterhin brutaler Krieg herrscht. Für Irmgard Scheitler (pax christi Eichstätt) und Barbara Häußler (pax christi Würzburg) brachte die Fahrt zum pax christi Partner-Projekt Mirna Luka in der Republika Srpska neue Erkenntnisse zu aktuellen Entwicklungen. Der Verein „Mirna Luka“ (friedlicher Hafen) ist aus den zivilen Friedensdiensten hervorgegangen, die Bischof Komarica nach dem Ende des Jugoslawienkriege in seine Stadt gerufen hatte. Bis heute kümmert sich der Verein Mirna Luka um Kriegsopfer, schafft Gelegenheiten, dass sich Menschen der drei Ethnien begegnen können, lindert durch Rechts- und Sozialberatung die Not der Ärmsten, behandelt Traumata, bietet Raum für neue zwischenmenschliche Beziehungen. Die Arbeit des Vereins trägt Früchte: die um den Verein versammelten Menschen verschiedener Volksgruppen haben sich angefreundet. Das zeigt: Frieden ist möglich nach einem Krieg – aber er braucht Zeit, um zu wachsen.
Doch der Frieden in Banja Luka ist gefährdeter denn je durch aktuelle welt- und lokalpolitische Entwicklungen. Das Abkommen von Dayton führte zwar dazu, dass die Menschen nicht mehr auf einander schossen, doch bewirkte es keinen soliden Frieden: die Republika Srpska ist ein Hotspot von serbischem Nationalismus. Seit Jahren arbeitet Präsident Dodik auf einen Anschluss der bosnischen Teilrepublik an Serbien hin. Er pflegt die besten Beziehungen zu Putin, der serbisch orthodoxe Patriarch Porfirije war erst unlängst beim russisch orthodoxen Patriarchen Kyrill in Moskau. Der Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er die Entscheidungen des UN-Hohen Repräsentanten missachtet hatte. Nach Verbüßung der Gefängnisstrafe darf er sechs Jahre lang keine politischen Ämter ausüben. Es besteht Haftbefehl gegen ihn. Doch am Mittwoch nach Ostern fuhr er nach Sarajewo. Als die dortige Polizei ihn verhaften wollte, verhinderten das Kräfte der von ihm aufgebauten Polizeieinheit der Republika Srpska. Am Donnerstag verfügte der Hohe Kommissar, dass Dodiks Bankkonten gesperrt werden sollten – doch das scheint Dodik egal zu sein. Zeitgleich wird eine neue Verfassung erarbeitet: nach ihr dürfen nur noch Serben das passive Wahlrecht ausüben – d.h. Katholiken und Muslime haben, sobald sie in Kraft tritt, keine eigenen Vertreter mehr im Parlament.
Ein Gang durch die Stadt zeigt, wie sich diese im vergangenen Jahr verändert hat: es gibt einen wunderbaren Spazierweg am Fluss Vrbas entlang, mit Bänken, Spielplätzen, Cafés und neue Parkanlagen, ein Freiluftkino zwischen Hochhäusern. Aber auch Marktstände mit T-Shirts, auf denen die Gesichter von Kriegsverbrechern prangen, das Café Putin in bester Innenstadtlage, mit Putin an den Wänden, auf den Speisekarten, lebensgroß als Puppe hinter der Eingangstür und die riesige neu erbaute russisch-orthodoxe Kathedrale. In den neuen Parks steht je ein großes Standbild zu dem man genauso empor schaut, wie zu riesigen Werbeflächen, auf denen hoch über allen Köpfen ein Bild von „Landesvater Dodik“ prangt. Die Blicke werden nach oben gelenkt. Was für ein Kontrast zum Platz an dem man der Helden gedenkt, die gegen den Nationalsozialismus kämpften – Büsten von Menschen der 3 Ethnien stehen da im Halbkreis – fast auf Augenhöhe mit den Betrachtenden.
Wohltuend und menschlich war der Besuch beim Mittwochs-Workshop – alte Menschen, die einander respektvoll begegnen – einfach nur dasitzen, spielen, es sich wohl sein lassen bei Saft und Keksen. Die Farben der Bilder, die sie in der Maltherapie gestalten, bekommen immer mehr Leuchtkraft.
Und auch die kurzen Hausbesuche bei alten Menschen, die weitab von Bushaltestellen in halb verfallenen Häusern wohnen zeigen, wie sehr diese die menschlichen Kontakte mit Mirna Luka schätzen – hier fragt niemand nach Nationalität!
Offen und sehr konstruktiv war das Gespräch mit Bischof Željiko Majic und dem Generalvikar Don Karlo Visaticki. Bischof Majic sagte klar, er versuche den Menschen Mut und Hoffnung zu geben. An Ostern habe er über die „pax romana“ – eine erzwungene Ruhe – und den „pax christi“, den Frieden Christi gepredigt, der die Würde jedes einzelnen Menschen in den Blick nehme. Die Kirche sei sichtbar, durch Kirchen, aber allem durch das, was sie tue, z.B. durch die Caritas, die katholische Schule, auf die nur ganz wenige Katholiken gingen, die Gläubigen selbst. Er wünsche sich kein Mitleid, sondern wahrgenommen zu werden und Solidarität. Vielleicht kann Bischof Majic ja zum Katholikentag 2026 nach Würzburg kommen.
Im Dunkeln haben wir auf der Hinfahrt die Sawe-Brücke an der Bosnisch-kroatischen Grenze überquert. Auf der Rückfahrt im Hellen standen wir längere Zeit im Stau auf dieser Brücke – und haben gemerkt: der bosnische Teil der Brücke zur EU ist verrostet, der kroatische frisch grün gestrichen. Ein Symbol für das Verhältnis zur EU? Am 9. Mai wird in Moskau die große Parade zu 80 Jahren Kriegsende – Sieg über den Faschismus stattfinden. Werden der serbische Ministerpräsident Vucic und der Präsident Dodik der Republika Srpska anwesend sein? Wenn ja, dann ist das ein Zeichen der Abkehr von der EU und der Hinkehr zu einem autokratischen Regierungssystem.
Wir von pax christi Würzburg und Eichstätt werden auf jeden Fall das Projekt Mirna Luka weiter begleiten – in der Hoffnung, dass der im Augenblick brüchig scheinende Friede andauert.
(Barbara Häußler, pax christi Würzburg)
Foto: Rafael Ivankic
v.l.n.r. Ajsa Babacic (Leitung: pax christi Partner Projekt Mirna Luka), Barbara Häußler (Vorsitzende pax christi Würzburg), Bischof Zeljiko Majic, Prof. Dr. Imrgard Scheitler (Vorsitzende pax christi Eichstätt)